Die Halle des Königs

Ein König, so erzählt man sich, hatte zwei Söhne. Als er älter wurde und gebrechlicher, merkte er, dass es an der Zeit ist, seine Nachfolge zu regeln.

Er dachte intensiv darüber nach, welcher der beiden Söhne geeigneter wäre, aber er konnte sich nicht entscheiden. So befahl er beide zu sich.

Der König stellte den Söhnen eine Aufgabe: „Hier habt Ihr beide eine Goldmünze. Ihr habt einen Monat Zeit. Füllt mir meine Halle bis an den obersten Rand.“

Beide Söhne zogen los. Der erste begann nachzudenken, aber es fiel ihm nichts ein. So verbrachte er Tage und Nächte damit etwas zu finden, was seinem Vater gefallen möge.

Der zweite Sohn lief schnell zum Markt. Dort kaufte er für die Goldmünze Stroh vom Zuckerrohr, welches die Bauern zurückgelassen hatten und wegschmeißen wollten.

Am anderen Tag ging er zu seinem Vater: „Vater, komm und sieh. Ich war ein gehorsamer Sohn und würdig Dein Nachfolger zu werden. Gerade einmal einen Tag habe ich gebraucht, um die Aufgabe zu erfüllen.“

Der König wurde wütend. „Was soll das? Du hast eine Goldmünze verschwendet, um meine Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen und sie auch noch verschmutzt. Wir werden sehen, ob Deinem Bruder etwas besseres einfällt.“

Ein paar Tage später kam der erste Sohn zu seinem Vater. „Mein König, ich bin bereit. Ich habe Deine Aufgabe erfüllt. Komm und sieh.“

Der König ging mit seinem Sohn in die Königshalle. Sie war stockdunkel. Der Sohn ging in die Mitte, stellte eine Kerze auf und entzündete sie. Alle staunten und fragten sich, wie der König wohl reagieren würde.

„Mein geliebter Sohn. Du bist ein würdiger Nachfolger. Ich mache Dich zum König über mein Reich. Du hast die kalte, dunkle Halle mit einem warmen, hellen Licht erfüllt. Dieses Licht bringt Hoffnung und Zuversicht und vertreibt die Schatten der Finsternis.“

Nehmen Sie sich nun einen Moment Zeit für Stille…

Es liegt im Stillesein

eine wunderbare Macht

der Klärung

der Reinigung,

der Sammlung auf das Wesentliche.

Dietrich Bonhoeffer